Die Geschichte einer gefährlichen Golfreise

Das Schiff fährt über die Stelle, an der die Mine versenkt wurde und aktiviert mit seinem eigenen Magnetfeld den Auslöser. Die Mine treibt danach auf und explodiert am hinteren Bereich des darüber fahrenden Schiffes. Der Kapitän legte aufgrund dieser Kenntnis einen unmöglichen Zickzackkurs durch das Rote Meer fest: jede Wassertiefe kleiner als dreißig Meter strickt meidend. Außerdem sollte mit maximaler Geschwindigkeit gefahren werden. Dazu wurden bereits in Kuwait die Slowdüsen oder Teillastdüsen die in den Zylinderköpfen der Hauptmaschine steckten, gegen die konventionellen Vollastdüsen getauscht. Mit Teillastdüsen ist bei reduzierter Fahrt, so wie sie bei der DSR wegen der chronischen Treibstoffknappheit ständig praktiziert wurde, eine bessere Verbrennung des Schweröls zu erreichen. Eine volle Leistungsabgabe des Motors war mit ihnen aber nicht möglich.

Am 19. August fuhr die „Neubrandenburg“ in das Rote Meer ein. Später habe ich gelesen, daß zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Schiffe der verschiedensten Nationen Opfer dieses heimtückischen Angriffs auf die internationale Schiffahrt geworden waren. Diese Ausmaße kannten wir damals aber nicht.

Besonders gefährdet war das Maschinenpersonal. Zur Wache brachten die Wachgänger deshalb ihren Rettungsanzug mit in den Maschinenkontrollraum. Als 2. Technischer Offizier hatte ich die 0-4 Wache abzusichern. Der mir zugeteilte Maschinenassistent und ich beschränkten die Kontrollrunden im Maschinenraum auf ein Minimum, um uns nicht über Gebühr zu gefährden. Ansonsten hielten wir uns im Maschinenkontrollraum auf, weil er sich nicht so weit unter der Wasserlinie befand.

Drei Tage später wurde Nachmittags der Golf von Suez erreicht. Hier war die US-Navy bereits dabei, mit großflächigem Gerät nach Minen zu suchen. Es war für uns alles gut gegangen. Unser Kapitän hatte in guter seemännischer Manier alles richtig gemacht, was zu dem Zeitpunkt aufgrund der spärlichen Informationen durch ihn zu entscheiden war. Am 22.08. wurde der Suezkanal heimkehrend passiert und ein Tag später Lanarca erreicht. Über diesen Hafen hat die DSR ihren ganzen Containerverkehr für das östliche Mittelmeer abgewickelt. Hier kamen die schon angesprochenen Leercontainer an Bord. Die Besatzung versorgte sich beim Keo-Schiffshändler individuell mit schwerem zypriotischem Wein für zu Hause. Um Mitternacht verließ das Schiff diesen Hafen und es ging in Richtung Heimat.

Am 01. September erfolgte das Löschen der leeren Kisten in Bremen und zwei Tage später wurden die Leinen im Heimathafen Rostock fest gemacht. Die Verursacher für diesen ernsthaften Eingriff in die internationale Schiffahrt sind nie gefaßt worden. Es gab zwar Bekennerschreiben und Schuldzuweisungen, aber bewiesen werden konnte nichts. Ich stieg nach der Reise in Rostock sofort ab, um die Werfterprobungsphase, die in die entscheidende Phase getreten war, auf meinem Stammschiff „Suhl“ mitzumachen.

Am 30. September 1984 begann mit dem Schiff eine 122 Tage dauernde Golf/Indienreise, auf der die neue Kraftstoff/Wasseremulsionsanlage auf Herz und Nieren getestet wurde.

Niedergeschrieben nach Tagebuchaufzeichnungen von Harald Mertin 18182 Rövershagen, zum Zeitpunkt der Geschichte 2.Technischer Offizier, MS „Neubrandenburg“ Email: haraldmertin@web.de

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