Hurra, nun bin ich Seemann!

Nun lief durch den gesamten Körper der „Dresden“ ein Vibrieren, wobei aus dem Schornstein Dieselabgase in den Himmel stiegen. Die Gangway wurde eingeholt und über die Bordlautsprecher kamen die Kommandos zum Ablegen des Schiffes. Von den Festmachern an Land wurden die Leinen von den Pollern gelöst und klatschten ins Hafenbecken. Matrosen holten die Leinen sofort ein, nun bestand keine Verbindung mehr zum Land. Zwischenzeitlich hatten Schlepper die Schleppleinen übernommen und zogen unsere „Dresden“ in die Fahrrinne. Erst zu diesem Zeitpunkt rückten Polizei und Zoll, die das gesamte Ablegemanöver aufmerksam verfolgt hatten, ab.

Erinnerungen...

Erinnerungen…

Mit Schlepperhilfe ging es aus dem Hafen hinaus, an Warnemünde vorbei,  und dann waren auch schon Mole mit Leuchtturm passiert. Die Schlepper lösten die Leinen. Das Rumoren im Bauch unseres Schiffes schwoll  so lange an, bis es einen gleichmäßigen Rhythmus erreicht hatte. Wir fuhren nun selbständig auf der Ostsee. Welch ein Gefühl, man kann es einfach nicht beschreiben! Wir standen auf dem Achterschiff  und schauten, wie die beiden Schiffsschrauben das Wasser aufwirbelten und unser Schiff westwärts trieben, immer weiter von unserer Heimat weg. Dann war natürlich für uns die Stunde gekommen, die erste Wache im Maschinenraum an zu treten. Sechs Stunden sollten wir nun unsere Arbeit unter Anleitung älterer Kollegen und des Wachingenieurs verrichten. Sechs Stunden – und nicht, wie sonst üblich – vier Stunden, weil es nämlich von Rostock nach Hamburg durch den Nord-Ostseekanal, in Manöverfahrt gehen würde.

Ach, damals...

Ach, damals…

Das blaue Bordzeug angezogen, den Niedergang hinunter in den Maschinenraum… Dort empfing uns ein ohrenbetäubender Lärm, der von den vier Hauptmaschinen mit ihren jeweils acht Zylindern und den beiden Hilfsdieseln kam. Schnell hatten wir unsere Ohren mit der bereit liegenden Gehörschutzwatte regelrecht verstöpselt, nur so konnte man den Krach aushalten. Jeder wurde an eine Maschine gestellt und ihm erläutert, was er bei den unterschiedlichsten Kommandos zu tun habe. Dies war zwar eine eintönige Arbeit, jedoch notwendig, um die schnelle Manövrierfähigkeit des Schiffes in bestimmten Situationen zu gewährleisten. Die sechs Stunden vergingen dann doch recht schnell, bis wir wieder an das Tageslicht empor steigen durften. Vor uns lag nun schon Kiel mit der Einfahrt in die Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals. Akkurat wurde unser Schiff mit Hilfe des Lotsen in die Schleuse gebracht und fest gemacht. Dieses Schauspiel beobachteten etliche Zuschauer, die nicht schlecht darüber staunten, dass solch ein schönes Schiff wie unsere „Dresden“ aus der „Ostzone“ kam. Das Einschleusen war nach 45 Minuten beendet und wir ließen die Schleuse Richtung Brunsbüttel hinter uns. Die Fahrt verlief durch eine angenehme Landschaft, an vielen kleinen Ortschaften und der Stadt Rendsburg vorbei. In der Mitte des NOK wurde der Lotse gewechselt, weiter ging es zur Stadt Brunsbüttel, wo es zur Ausschleusung und einem erneuten Lotsenwechsel kam. Wir fuhren zügig weiter, die Elbe aufwärts, in Richtung Hamburg. An der Schiffsbegrüßungsanlage – Willkommen Höft – wurde die Nationalhymne der DDR abgespielt, was zur damaligen Zeit gar nicht so selbstverständlich war. Außerdem wünschte man uns einen schönen Aufenthalt in der Hansestadt. Der Tag neigte sich nun langsam seinem Ende zu, in den Häusern an Land und auf den Schiffen auf der Elbe gingen die Lichter an. Das war für uns Neulinge wirklich ein besonderer Anblick. Aber es sollte noch besser kommen! Als wir in den Hafen von Hamburg einliefen, ging gerade ein großes Feuerwerk los, und die Feuerwehrschiffe sprühten riesige, von Scheinwerfern angestrahlte Fontänen in den tagehellen Nachthimmel. Was ist hier los, fragten wir uns. Uns war natürlich klar, dass dies nicht uns gelten konnte, aber ein klein wenig empfanden wir das so. Nein, die englische Königin beendete gerade zu dieser Stunde ihren Deutschlandbesuch und verließ soeben mit ihrer Jacht Hamburg. Ein auf ewig unvergessliches Erlebnis!

Dann kamen wieder die Schlepper, bugsierten unser Schiff an seinen Liegeplatz. Als wir fest lagen, wurden die Maschinen abgestellt und wir hatten die erste kleine Etappe unserer großen Reise beendet.

Vielen Dank an Bernd Kunze für diese schöne Geschichte.

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