Eine Reise in den Krieg

Karli.

Karli.

Wir wussten seit Rostock, dass wir Karatschi(Pakistan) anlaufen sollten. Der Zielhafen sollte Shanghai werden. Dank unserer Bordzeitung und durch die „Deutsche Welle“ erfuhren wir, dass zwischen Indien und Pakistan ein Grenzstreit herrschte. Vielleicht der Beginn eines Krieges? Wir waren der Ansicht, dass uns dies nicht tangieren würde, doch war es schon ein merkwürdiges Gefühl, die Kriegsschiffe im Hafen zu sehen, dessen Einfahrt an eine mittelalterliche Festung erinnerte. Schockierend waren die U-Boote in der Hafen-Einfahrt. Groß und unheimlich waren sie anzusehen. Dagegen schien das Hafenbecken mit vielen kleinen Schiffen aus der ganzen Welt friedlich und gemütlich.

Krieg kannten wir nur aus Filmen über den Zweiten Weltkrieg, aber wie war Krieg wirklich in der Realität?

Doch plötzlich bemerkten wir, dass unser Schiff auffiel.

Schiffe vom Typ IV, wie unsere „Karli“, hatten 13 Masten. Dies sah man natürlich schon aus weiter Ferne. Das war natürlich besonders dann praktisch, wenn man nach ausgiebigem Getränkekonsum auf dem Festland in die Schiffskoje wollte. Aber dass Militärflugzeuge uns nur deshalb überflogen, weil ein Schiff der DDR so schön anzusehen ist, war doch eher unwahrscheinlich. Wir wurden sehr misstrauisch und fragten uns, ob dies nun Krieg sein sollte.

Innerhalb kurzer Zeit wurde der Grenzstreit Indien – Pakistan unter uns Seeleuten das Hauptgesprächsthema. Doch ahnten wir noch nicht, dass wir 4 Wochen in Karatschi festliegen würden.

Als wir nun in den Hafen einfuhren und festgemacht hatten, sahen wir, wie plötzlich viele Soldaten und Zöllner auf unserem Schiff erschienen. Die ganze Besatzung hatte sich in der Mannschaftsmesse einzufinden. Jeder Einzelne wurde aufgerufen und mit dem Passfoto im Seefahrtsbuch verglichen. Das Betreten des Decks und das Rauchen im Freien wurden verboten. Unsere Schiffsleitung empfahl, notwendige persönliche Dinge bereitzuhalten und unter Umständen auf Abruf zu warten.

Doch Krieg? Oder übertriebene Prozeduren des Militärs? Den wirklichen Grund erfuhren wir erst später.

Unser Arbeitsplatz.

Unser Arbeitsplatz.

Indische Flugzeuge warfen Bomben auf Karatschi, Luftkämpfe tobten über Stadt und Hafen. Aus schweren Waffen der Hafenfestung dröhnten Granaten in Richtung Himmel. Die Aufregung an Board war verständlich. Angst schlich sich auf das Schiff, denn wir kannten so etwas nur aus Erzählungen oder dem Kino.

Wir saßen in den Kammern und warteten auf das, was auf uns zukommen würde. Doch was? Wir wussten es nicht! Obwohl es verboten und gefährlich war, schauten wir aus dem Bullauge. Wir sahen, wie eine MIG 17 abgeschossen wurde und brennend in ein Wohngebiet stürzte.

Da wir auch keinen Hilfsdiesel mehr hatten, fiel die Stromversorgung aus und nun saßen wir auch noch im Dunkeln.

Irgendwann später erfuhren wir, dass die Inder den Hafen nicht bombardieren würden und kein Anlass zur Angst bestehen sollte, denn der Hafen sei internationales Gebiet mit Schiffen aus der ganzen Welt. Trotzdem war diese Information nur ein schwacher Trost für uns. Auch wenn wir alle Angst hatten, gab uns die Meldung Hoffnung.

Am nächsten Morgen sah die Situation wieder besser aus. Wir hatten alle Landgang und zufällig kamen wir zur Absturzstelle des abgeschossenen Flugzeuges. Eine Horde von Pakistani beschimpfte uns. Lustig fanden wir dies nicht, auch wenn wir ihre Sprache nicht verstanden. Doch wir bekamen ihre Abneigung zu spüren. Sie rissen an unserer Kleidung und bespuckten uns. Wir verließen sofort diesen unangenehmen Ort, begaben uns wieder zu unserer „Karli“ und verzichteten freiwillig auf weitere Exkursionen.

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Eine Antwort zu Eine Reise in den Krieg

  1. Joachim Klessinger sagt:

    Habe mich gern daran erinnert. Fast die gleichen Erlebnisse und Häfen und auch Schiffe. Unser Flottenbereich war ja für die langen Fahrten bekannt. War 69 das erste Mal in Karatschi . Habe aber keine negativen Erlebnisse in Erinnerung. Nur das die Fischer uns komplette getrocknete Sägenfische verkaufen wollten. Den Sägenfischzahn habe ich immer noch.

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