Eine Reise in den Krieg

An Deck.

An Deck.

Am Ende der Kaimauer lag sie. Nach einem endlos erscheinenden Weg zu ihr war es wirklich ein tolles Gefühl, endlich ein Schiff unter der Füßen zu spüren. Der Wachmatrose an der Gangway zeigte uns den Weg zum I. Ingenieur. Nach einer kurzen Einweisung wurde ich beim Motorenwärter einquartiert. Dem Herrn Stockmann bin ich auch heute noch dankbar, da er mir das Wichtigste bei meinem ersten Turn vermittelte. Viele Jahre später traf ich ihn in Rostock wieder. Ich hatte mit der Seefahrt aufgehört, er dagegen fuhr noch immer als Storekeeper durch die weite Welt. Warum aus der Tankreinigung nichts geworden ist, weiß ich bis heute nicht, aber dass auf der bevorstehenden Reise nach Indien ein Motorenhelfer benötigt wurde, erwies sich als Glücksfall, denn ich konnte als Besatzungsmitglied in die Musterrolle eingetragen werden.

Jetzt hatte ich mein Ziel erreicht… endlich Seemann!  Nur war es nicht mehr peinlich, sich zu Hause zu verabschieden und die Indien-Reise zu beginnen. Das Seefahrtsbuch machte die Runde und es wurde Abschied gefeiert bis dann das langersehnte Telegramm eintraf, in dem Datum und Uhrzeit des Auslaufens vermerkt waren. Von meiner Mutter wurde ich mit Kinetosin gegen Seekrankheit versorgt, meine Freunde gaben mir gute Wünsche auf den Weg und mit einem „B41 Tesla“ Tonbandgerät und einer Kamera „Werra-Matic“ bewaffnet, ging die Fahrt nach Rostock! Endlich!

Wer einmal Warnemündes Mole mit den winkenden Urlaubern vom Schiff aus gesehen und sich auf „Große Fahrt“ begeben hat, vergisst nicht dieses Gefühl der Freiheit und des Stolzes. Ein wahrhaft unbeschreibliches Gefühl, das vielleicht nur Seeleute nachempfinden können.

Aber dies war nur der Anfang meines großen Erlebens.

Das Einjustieren des Schiffskompasses vor Kiel, erste Begegnungen der Häfen Hamburg, Liverpool, Rotterdam, Le  Havre und der anderen „kapitalistischen“ Häfen der westlichen Welt, die für mich als DDR-Bürger normalerweise unzugänglich waren, brachten mir als 18-Jährigen Impressionen, die ich tief verinnerlicht habe und die mich auf meinen jetzigen Reisen noch bis heute begleiten.

Station Suez-Kanal

Es ging los.

Es ging los.

Sicherlich, gelesen und gehört hatte ich von ihm schon einiges. Aber durchgefahren war ich natürlich noch nie. Nun war es soweit. Wir sollten den Kanal am Tage passieren. Ich hatte Freiwache und die Möglichkeit, dieses tolle Schauspiel zu bewundern, welches sich mir darbot. Die Schiffe wurden zu einem Konvoi zusammengestellt und wie eine Perlenkette „aufgefädelt“. Dabei war das langsamste vorne, das schnellste am Ende. Ich sah in der Wüste die Schiffe, die „auf dem Sand“ standen. So sah es also aus, wenn sie im Ausweichkanal liegen. Port Said, Suez oder Port Sudan bei 72° C in der Sonne zur Mittagszeit – und die einzigsten Menschen, die um 12 Uhr Schnappschüsse machten, waren wir. Auch hatten wir keine Ahnung von den orientalischen Gepflogenheiten. Egal … „learning by doing“.

In Aden, damals englisches Protektorat am Ausgang des Roten Meers, machte ich meine ersten „Schnäppchen“ . Dort bekam ich für 40 DDR-Mark eine hochkomfortable Winter-Jacke sowie ein Radio, welches ich dort von den Händlern erfeilschte, die nicht zwischen DDR-Mark und Westmarkt unterscheiden konnten. Doch erwischte es mich, als ich meinen schwarz-rot-goldenen Deutschland-Gürtel gegen eine „hochwertige Schweizer Uhr“ tauschte, die nach einer halben Stunde ihren Dienst verweigerte. Unser Schiffsbäcker mit einschlägigen Uhrerfahrungen „diagnostizierte“, dass sich im Inneren der vermeintlich wertvollen Uhr kein Uhrwerk befand.

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Eine Antwort zu Eine Reise in den Krieg

  1. Joachim Klessinger sagt:

    Habe mich gern daran erinnert. Fast die gleichen Erlebnisse und Häfen und auch Schiffe. Unser Flottenbereich war ja für die langen Fahrten bekannt. War 69 das erste Mal in Karatschi . Habe aber keine negativen Erlebnisse in Erinnerung. Nur das die Fischer uns komplette getrocknete Sägenfische verkaufen wollten. Den Sägenfischzahn habe ich immer noch.

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