Eine Reise in den Krieg

Auf hoher See.

Auf hoher See.

Juni 1965, ich hatte meine Ausbildung als Maschinenbauer auf der damaligen Volkswerft Stralsund beendet. Mit dem Zug fuhr ich reichlich aufgeregt am 17. Juni von Stralsund nach Rostock. Im „Haus der Schifffahrt“ in der Langen Straße sollte ich mich in der Kaderabteilung melden. Endlich hatte ich das geschafft, worauf ich 2 Jahre warten musste. Ein Seemann wollte ich werden! Ein Seemann wollte ich sein! Fremde Länder, fremde Häfen…ich wollte die Welt sehen! Außer dem Harz, der Ostseeküste und Thüringen kannte ich mit meinen 18 Jahren nicht allzu viel. Sicherlich war dies nicht allein der Grund, weshalb ich zur See wollte.

Wie alle Schüler in der damaligen Zeit musste man sich nach der 10-klassigen Polytechnischen Oberschule in einem Betrieb seiner Wahl um eine Lehrstelle kümmern. Wie viele andere wollte ich KfZ-Schlosser („Modeberuf der „60er“) werden. So bewarb ich mich beim Kraftverkehr meiner Heimatstadt Wittenberg als Schlosserlehrling. Für DDR-Verhältnisse untypisch erhielt ich keine Antwort, so dass ich aus der Angst heraus, keine Lehrstelle zu bekommen, kurzfristig an den VEB DSR Rostock schrieb, und das eigentlich nur, weil sich meine Banknachbar dort als Matrose beworben hatte. Ich bat um eine Ausbildung im technischen Bereich. Ein positiver Bescheid kam wider Erwarten für mich, nicht aber für meinen Schulfreund.

Karli.

Auf dem Schiff.

Etwas gruselig wurde mir beim Gesundheitsdienst des Medizinischen Dienstes in Halle, weil ich bis heute vor großen Höhen und dem Karussell-Fahren Angst habe. Aber trotz allem war ich seetauglich, das stand schwarz auf weiß bestätigt zu Papier, und meiner „Karriere“ als Seemann lag nach dem Abschluss der 10. Klasse nichts mehr im Wege.

Noch während der Seezeit mussten wir zur Vormusterung für die NVA, logisch, dass wir uns zur Volksmarine zu verpflichten hatten. Darauf wurden wir durch Lehrmeister und Berufsschule orientiert. Ich empfand zwar keine große Lust, 4 Jahre zu dienen, unterschrieb aber trotzdem in der Annahme, dass, wenn ich es nicht täte, keine Chancen für mich bei der DSR bestünden. Zum Glück war ich wegen meiner Plattfüße untauglich und somit meine Verpflichtung hinfällig.

"Mein" Schiff.

„Mein“ Schiff.

So, nun stand ich endlich in der Kaderabteilung des „Hauses der Schifffahrt“, total gespannt, auf welches Schiff ich „aufsteigen“ könnte, aber keines lag im Hafen! Außer mir noch drei weitere Kumpel, und wir sollten erst mal Urlaub machen? Das war die totale Härte: Keine Reise gemacht, keinen Frachter betreten (außer während der Lehre einige Fischerei-Schiffe) – und nun nach Hause? Oberpeinlich – was Eltern, Freunden und Bekannten erzählen? Die wollten doch Seemannsgarn hören!

Ich war fertig… wollte doch als großer „Seemann“, mit Geschenken und Geschichten nach Hause kommen und etwas angeben. Schreckliche Minuten vergingen, doch dann, Sankt Christophorus sei Dank, hörten wir die Frage, ob wir bereit wären, auf dem MS „Karl-Marx- Stadt“ einen Tank zu reinigen.

Klar, wir wollten!

Schnellstmöglich begaben wir uns zum Seefahrtsamt. Wir holten unser Seefahrtsbuch ab, fuhren mit dem Taxi zum Überseehafen, wo wir eingekleidet wurden. Endlich! Den Seesack auf der Schulter suchten wir „unser“ Schiff, welches wir auch später liebevoll „Karli“ nannten.

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Eine Antwort zu Eine Reise in den Krieg

  1. Joachim Klessinger sagt:

    Habe mich gern daran erinnert. Fast die gleichen Erlebnisse und Häfen und auch Schiffe. Unser Flottenbereich war ja für die langen Fahrten bekannt. War 69 das erste Mal in Karatschi . Habe aber keine negativen Erlebnisse in Erinnerung. Nur das die Fischer uns komplette getrocknete Sägenfische verkaufen wollten. Den Sägenfischzahn habe ich immer noch.

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