Der durchgedrehte Koch

3. Der Suez-Kanal

Mit einer Schiffslandung Phosphat ging es nun Richtung Osten, nach Japan. Es sollte eine lange und nicht immer angenehme Reise werden! Und es fing schon im Suezkanal an. Für die ganze Mannschaft galt während der Durchfahrt: Kein Alkohol! Das war schlimm! Da rebellierten die Schweizer, die Holländer, die Italiener und Portugiesen machten das weniger. Und es war ja das Weihnachtsfest und das ohne Bier und Whisky? Unvorstellbar! Und die Weihnachtsbäumchen, die schon in England an Bord kamen? Die waren nackt und trocken wie eine ägyptische Mumie! Nein, damit war kein Staat zu machen. Die Bilanz sah schon mager aus; kein Weihnachtsbäumchen, nichts alkoholisches zu trinken, zu wenig Geschirr und Gläser, das Essen unbefriedigend, die Unterkünfte schlecht, nein, so konnte keine Festfreude aufkommen. Das Alkoholverbot wurde stillschweigend aufgehoben – zum Glück, denn das trug wenigstens ein klein bisschen zum Frieden und besserer Laune bei.

Der Koch versuchte sich in etwas Kreativität was ihm aber nur mäßig gelang. Der Bäcker übertraf sich hingegen selbst und zauberte Torten und Pâtisserie hin als wäre in einer Konditorei an Land. Er rettete wenigstens für eine kleine Weile die Situation. Noch etwas über unseren Kapitän; wie schon geschrieben, er war Indonesier mit einem Holländerpassport und dem Chenever (Wacholderschnaps) in keiner Weise abgeneigt. Näherte man sich seinem Salon, schlug einem schon ein Dunst wie in einer Schnapsdistilerie entgegen. Da stand er dann breitbeinig, nur mit Shorts und Sandalen bekleidet. Mit einem Hemd mühte er sich gar nicht erst ab.

Auch schon traf ich ihn auf dem Boden liegen und Seekarten studierend an. Mit einem langen Bambuslöffel pflegte er sich den Rücken zu kratzten. Oft kam er aber auch in die Küche um dem Koch einige Tipps zu geben über indonesische Küche. Dabei war er, der Koch schon mit der europäischen Küche überfordert! Viel Respekt hatte niemand von unserer Mannschaft vor ihm. Das merkte man auch an der ziemlich schlechten Borddisziplin! Am allerwenigsten sein erster Steuermann, eben dieser der mich in die administrativen Arbeiten im Stewardsektor einweisen sollte. Er nahm sich denn auch Freiheiten heraus, die ganz und gar nicht in seiner Kompetenz lagen. So wurde auch gemunkelt, es sei ER, der das Schiff führte und kommandierte. Nun ja, diesen Eindruck hatte ich oftmals auch musste ich den Alten aus irgend einem Grund in seinem Salon aufsuchen. Der lag meistens in seinem Salon und lies den Herrgott einen guten Mann sein. Auf der Brücke war er sehr selten zu finden! Der zweite Steuermann war ein komischer Kauz und als einziger verheiratet. So banden einige Spaßvögel in Genua einige Glöckchen unter seinem Bett fest. Seine Frau besuchte ihn oft in einem europäischen Hafen. Das Geläute ließ auch gar nicht lange auf sich warten. Und wir hatten unser großes Vergnügen daran! Dies kostete ihm dann einige Kasten Bier, ihm, wo er doch in keinem Hafen an Land ging und aus dem Kiosk sehr selten etwas bezog. Ein echt sparsamer Italiener.

Doch eine lustige Begebenheit kommt mir über diesen zweiten Officer in den Sinn: Wir fuhren von Marseille nach Genua. Die Hauptmaschine setzte mitten in der Nacht aus und für eine Weile herrschte tiefe Stille auf dem Schiff. Und da es mitten in der Nacht war, schliefen natürlich die meisten. Nun hörte ich ihn schreien Marconi Marconi – gemeint war der Funker, der seine Kabine ebenfalls auf unserem Deck hatte. Ich hörte den zweiten die Treppe herunter donnern, dann klopfte an die erste Türe (Toilette), immerfort Marconi schreiend, dann an die zweite (Duschräume), dann an die dritte (Wäschekammer) und schließlich ereichte er dann des Funkers Kabine. Der Funker war natürlich schon an seinem Arbeitsplatz in der Funkbude. Zittern und schlotternd erreichte er dann meine Kabine und stotterte aufgeregt; ich muss den Marconi finden, unbedingt, wir sind in Seenot! Dabei hätte er als wachthabender Offizier oben auf der Brücke stehen sollen und nicht kopflos auf dem Schiff herumrennen und brüllen!

Seine Aufgeregtheit war allerdings verständlich, denn auf dieser Strecke herrschte sehr starker und reger Schiffsverkehr.

Und noch etwas makaberes kommt mir in den Sinn, dass. sich ebenfalls am Anfang auf diesem Schiff zugetragen hat. Wie schon gesagt; ich war neu auf diesem Schiff und fand einiges vor, dass auf andern Schiffen schon moderner und praktischer war. So auch die Bordwäsche. Die musste nämlich mangels einer eigenen Wäscherei an Land gegeben werden. Aber wie und vor allem in welchen Behältern? Da fand ich im Frischwäschestore so etwa zwei Meter lange Leinensäcke.

Ja, die könnten gehen. Ich stopfte also zusammen mit dem zweiten Steward die Schmutzwäsche wie Betttücher und Decken, Tischtücher und Handtücher usw. in diese Säcke und legten sie unten an der Pier schön nebeneinander, bereit zum Abholen durch die Wäscherei. Da hörten wir es von weit oben von der Brücke herunter schreien, seid ihr denn verrückt geworden? Da ich den Mann nicht verstehen konnte ging ich zurück an Bord um zu erfahren, weswegen wir denn verrückt sein sollen! Das sind Leichensäcke für Beerdigungen auf hoher See! Aha, nun das wusste ich natürlich nicht und niemand hatte mir etwas gesagt. Ich schien aber bei weiten nicht der Einzige Unwissende zu sein, denn weiter reklamierte niemand mehr und auch die Wäscherei nahm die Säcke anstandslos mit. Auf (fast) ruhiger Fahrt im indischen Ozean.

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