Milchpulver nach Mexico

Als im Frühjahr 1966 die nächste Reise nach Mexiko gehen sollte, war ich total aus dem Häuschen, kannte ich dieses sagenumwobene Land gerade aus dem Geschichts- und Geografieunterricht oder aus Schlagern.

Vor dem Endziel sollten auch noch Hamburg, Rotterdam und London auf dem Reiseprogramm stehen. Meine Freude wurde noch gesteigert, als es hieß, unser Dampfer läuft auch Kuba an. Havanna und Fidel Castro, das waren doch damals Begriffe – schließlich gehörte doch die kleine Insel vor den Toren der USA zu den „mutigen“ Widersachern des bei uns verpönten „Weltimperialismus“ und somit zu unseren Sympathieträgern, wie wir in der Schule und durch die Presse gelernt hatten.

Havana.

Havanna.

Ich wurde dem II. Ing. zugeteilt und mit meinem Kumpel Jonas bezogen wir eine Kammer. Wir hatten die ungünstigste Wache abgefasst, nämlich die von 00.00 bis 04.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Aber uns war es egal, denn wir wollten bei unseren Hauptmaschinen bleiben. Man muss wissen, dass die Arbeitsbereiche im Maschinenraum den einzelnen Wachen zugeordnet waren, der Antriebs- und Hilfsmaschine, den Pumpen und Sonstigem. Es gab drei Wachen mit jeweils 4 Stunden Dienst, 8 Stunden Freizeit dazwischen, man kann sagen, dass dies ziemlich stressig war, aber wir waren ja noch jung, begeistert, neugierig! Da machten uns auch der ständige Lärm der vier Hauptmaschinen, der Geruch nach Öl und Diesel und die hohen Temperaturen im Maschinenraum wenig aus.

Jonas

Jonas

Beim Einsatz aller vier Hauptmaschinen erreichten wir eine Reisegeschwindigkeit von 13 bis 15 Knoten, je nach Wetterlage. Für Unkundige: 1 Knoten = 1,852 km/h. Meistens mussten wir eine Hauptmaschine „von der Welle„ nehmen, weil es sogenannte „Kolbenfresser“ gab, das hieß dann Kolben ziehen, Buchsen wechseln, Lager ausschaben… Arbeit lag genug an.

Eines Tages teilte man uns mit, dass wir vor Mexiko, das Milchpulver erhalten sollte, Havanna anlaufen würden, was uns unklar war, denn eine Ladung für Kuba war uns nicht bekannt, aber auf der Heimfahrt sollten wir von Kuba Zucker mit nehmen.

Also, Havanna.

Spätnachmittag, bei schlechtem Wetter, sahen wir die Hafeneinfahrt von Havanna mit ihrer Hafenfestung, einem Wahrzeichen dieser Stadt, das uns begrüßte. Mehrere Stunden mussten wir auf Reede warten, bevor wir in den Hafen verholt wurden. Nicht an der Kaimauer wurde unser Schiff festgemacht, sondern im Hafenbecken, an große Tonnen.

Der Anker.

Der Anker.

Schon kurze Zeit später kamen die Schauer an Bord. Das Ladegeschirr der Luke vier wurde fertiggemacht zum Entladen, denn an der Steuerbordseite unseres Schiffes lagen schon die Flachboote, die unsere Ladung übernehmen sollten. Gewundert hat es uns schon, warum das ganze Schiff plötzlich mit Armeeangehörigen besetzt wurde, die überall auf den Decks herumstanden. Unklar war auch, warum wir im Hafenbecken festgemacht wurden, obwohl der Hafen fast leer war. Plötzlich riesige Aufregung: Mehrere Holzkisten fielen beim Entladen von großer Höhe auf das Deck, überall lagen Waffen herum, und das waren Maschinenpistolen sowjetischer Bauart! Stehenden Fußes wurden wir unter Deck, hinein in unsere Kammern beordert, bis wir an der Kaimauer fest gemacht hatten.

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