Einen Tag in der Schiffsküche

Bei solchem Wetter mit hohem Seegang gibt es auch das Frühstück nur in gekürzter und beschränkter Form. Kaffee, Milch oder Tee in großen Karaffen, Butter und Konfitüre, Käse, Wurst und wer will, kann auch ein Beefsteak bekommen, allerdings ohne das obligate Spiegelei obendrauf. Das würde ja nicht oben bleiben. Inzwischen habe ich die Kartoffeln für den Stock auf den Herd gebracht. Auch die geschälten und geschnittenen Rüebli köcheln leise dahin. Es ist lustig zu sehen, wie die Flüssigkeit in den Kochgeschirren hin und her schwappt. Zumindest brennt nichts an, denn das Kochgut wird ja dauernd und ausgiebig bewegt. Ein feiner Gulaschduft macht sich in allen Räumen der Schiffsaufbauten breit. Hoch oben, im Kommandostand des Schiffes, können sie daraus das heutige Menu „erriechen“, zieht doch die Ventilation an ihnen vorbei und der Geruch verrät, was da tief unten in der Küche zubereitet wird. Oft bekomme ich auch hohen Besuch von oben, angelockt durch die feinen Küchendüfte. Entspricht der Geruch ihren Geschmack, bekomme ich wohlwollende Worte zu hören. Nicht zu unrecht wird der Koch als Garant für die gute Laune an Bord verantwortlich gemacht. Darauf bin ich natürlich nicht wenig stolz, kann ich doch damit etwas zur guten Moral der Crew beitragen.

Der Chefsteward hat sich noch immer nicht blicken lassen. Angeblich, wie er uns immer weismachen will, ist er mit seiner Büro- und Verwaltungsarbeit beschäftigt.Wahrscheinlich hatten die Drei, das Kleeblatt, wie sie scherzhaft von uns genannt werden, bestehend aus dem Kapitän, dem Funker und Chiefsteward, wieder mal lange und ausgiebig in der Kapitänskajüte oder „Saloon“, wie die Wohnung des Kapitäns auch genannt wird, einen schönen und ausgelassenen Abend verbracht. Schlechte Laune ist dann Tags darauf das Resultat von unserem Chief. Er ist Tessiner, aus Lugano, spricht aber nur Französisch. Na klar doch, wer zum Kleeblatt gehört, spricht wie der Kapitän – und der ist Walliser, Französisch . Der Funker ist sowieso mehrsprachig, muss er ja sein.

Oft darf ich für die „großen Drei“ ein Fondue oder sonst eine Walliserspezialität zubereiten, was der Alte dann mit Extrabier oder Whisky für die Küche verdankt. Käse-Fondue ist bei ihnen sehr beliebt und ich darf es öfters zubereiten. Der dazu notwendige Fendent und ein feiner „Baselbieter“-Kirsch kamen zu mir in die Küche (aber nur ganz selten wieder zum Ausgangsort zurück.) Ich muss doch die gute Qualität testen, oder? Der Fonduekäse für das Fondue kam selbstverständlich frisch aus der Schweiz – Direktimportiert und zollfrei.

Abenteuer.

Abenteuer.

Extraportionen von Getränken, gibt unser sehr strenger Kapitän Pichard nur sehr selten aus. Die Tagesration an Bier beschränkt sich auf nur zwei mickrigen 33 cl Fläschchen Bier, in den Tropen deren drei. Und was ist das schon gegen einen immerwährenden Seemannsdurst – besonders in der brütenden Tropenhitze? So habe ich das große und unschätzbare Privileg, wenn bei einer Kabinenparty das Getränk ausgeht, zum Kapitän’s Saloon hinauf zu steigen und um einen Extra-Karton Bier (24 Fläschchen) oder um eine Flasche Whisky zu bitten. „Da; holen sie ihn sich selber aus meinem Kühlschrank.“ ruft er oft jeweils besorgt – belustigt aus seiner eleganten Polstergruppe seines geräumigen und dank direkt zugeführter Frischluft angenehmen Salons. Besonders nach einem guten Nachtessen habe ich gar keine Probleme beim „Alten“, einige gut gekühlte Getränke locker zu machen. Whisky ist zwar frei käuflich aus dem Schiffsstore, doch der ist wöchentlich nur einmal geöffnet. Auch mit Zigaretten und anderer Kioskware kann die Besatzung sich bedienen. Barzahlung gibt es keine, es kommt alles auf die Lohnliste und wird dann dort von der Heuer abgezogen. Bei einigen bleibt Ende des Monats nichts mehr stehen und wird dann vom Funker, der bei uns auch als Zahlmeister fungiere, mit ernster Miene sanft verwarnt.

Das Menü ist ausgegeben, zufriedenes Schmatzen aus den Essräumen der Mannschaft und Offizieren. Nachdem die große Klappe des Ausgabebüffet geschlossen worden ist, geht es an’s Reinemachen der Küche. Messboy und Steward bringen das gebrauchte Geschirr in die Pantry, wo der Messboy es nun abwaschen kann. Wir in der Küche machen Herd und Kochgeschirr sauber, der Boden wird schlussendlich, wenn alle draußen sind, vom Messboy aufgewaschen. Wir haben nun bis fünf Uhr frei und ruhen uns in der Kabine oder auf Deck aus. Der Vormittag ist zwar sehr anstrengend, aber störungsfrei verlaufen und wir können uns der freien Stunden erfreuen. Das Abendessen ist auch schon vorbereitet. Es gibt Spaghetti an Tomatensauce mit Reibkäse (Parmesan) und Eisberg-Salat. Dieses Menü ist auch gut essbar bei sehr unruhigem Schiff und springt selten aus dem Teller, weil Spaghetti eben etwas träge sind und wenig Lust verspüren, auf Reise zu gehen.

Dieser Eisbergsalat hält sich sehr lange frisch im Kühlraum und ist eigentlich der einzige Salat, den man grün nennen kann obwohl er fast weiß ist. Anderes Grünzeugs gibt es nur einige Tage nach dem Auslaufen des Schiffes. Dann natürlich werden soviel wie möglich Frischprodukte verwendet. Sehr zur Freude der gesamten Mannschaft. Probleme bereitet auch immer wieder das Trinkwasser. Im Hafen wird das Schiff direkt mit Trinkwasser versorgt. Ein Großteil muss aber als Vorrat gebunkert werden. lange hält sich dieses Wasser nicht frisch, weil abgestanden. Und es ist meist auch leicht salzig. Zum Trinken taugt es also nicht. Darum ist Bier so beliebt. Ist ja wohl verständlich. In Afrika gebunkertes Wasser ist oft schon nach wenigen Tagen rot und hat einen fauligen und bitteren Geruch. (Mineralwasser war damals auf den Schiffen noch wenig bekannt und kostete erst noch mehr als das Bier. )

Auf See.

Auf See.

Es ist 17 Uhr und wir befinden uns wieder in der Küche. Zuerst wird die Außentür, die hinten nach achtern auf’s Deck hinausgeht, und die beiden Bullaugen geöffnet. Eine gar stickige Luft herrscht hier drinnen. Die Tür ist eigentlich ein Schott und beim Hinausgehen muss man die Beine gar recht kräftig hochziehen, um über die hohe, eiserne Schwelle zu kommen. Die Tür bleibt natürlich bei schwerer See geschlossen sowie auch die kleinen, kreisrunden Fensterchen. Doch wenn wir am Arbeiten sind, haben wir die Küche ja unter Kontrolle. Bricht nämlich Seewasser herein, was bei diesem enormen Wellengang immer wieder geschieht, muss das wieder mühsam hinausbefördert werden und glitschig wie Schmierseife ist es auch noch dazu. Überhaupt ist das immer ein wichtiges Anliegen von mir; saubere Küchenböden. Nichts ist schlimmer, als in der Küche auszurutschen, das führt meist zu schlimmen Unfällen und das ist vermeidbar.

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