Einen Tag in der Schiffsküche

Der Chiefsteward besorgt auch das Ausbeinen des Rohfleisch, er ist von Beruf Metzger und kann mir damit diese nicht ganz ungefährliche Arbeit mit den scharfen Messern abnehmen. Das Fleisch wird auch vom Schiffshändler angeliefert, zusammen mit der großen Vielzahl anderer Lebensmittel und Getränke. Das Rindfleisch kommt in ganzen Hinter- oder Vordervierteln, Kalbs- und Schweinefleisch hingegen in ganzen Hälften. Meist wird das Fleisch frisch und nur ausnahmsweise und selten gefroren, bevor es auf das Schiff kommt.

Wir, die Küchenmannschaft haben für 38 Mann zu kochen und jeden Tag kommt ein anderes Mittags- und Abendmenü auf den Tisch. Bei schwer rollendem und stampfenden Schiff, bei stürmischer See, ist nur noch ein Eintopfgericht möglich, denn nur noch hohes Kochgeschirr ist sturmtauglich, damit sich nicht der ganze Inhalt aus dem Gefäß befreit und dann auf dem Küchenboden landet. Ein glitschiger Küchenboden ist ohnehin unser größter Schreck. Ein Ausrutscher ist höchst gefährlich in diesem engen und mit scharfkantigen Ecken vollgespickten Raum.

Auf See.

Auf See.

Heute reicht es jedoch für ein vereinfachtes Menu. Ungarischer Saftgulasch mit Kartoffelstock und Vichykarotten. Damit wird die Mannschaft sehr zufrieden sein. Auch das Essen ist nämlich bei schwerer See ein mühsames Unterfangen. Den Teller muss man festhalten, damit er einem nicht entwischt, Besteck und Glas ebenso. Tische und Stühle sind am Boden fest verankert, glücklicherweise, denn sonst…Spiegeleier morgens gibt’s nicht, die würden bei dieser Schaukelei zur Pfanne heraus entschwinden und überall nur nicht auf dem Teller als wunderschön gebratenes Spiegel landen. Wäre doch schade.

Nun beginnt die Arbeit! Der brave Küchenjunge hat mir die Kartoffeln und die Rüebli geschält. Von Hand natürlich, denn eine Kartoffelschälmaschine gibt es nicht. Die würde uns ja nur die Arbeit stehlen. Unterdessen brate ich die Fleischwürfel für den Gulasch in einer riesigen Bratpfanne an. Der „Gartenhag“ rund um den Kochherd erschwert die Arbeit enorm, hält mir jedoch Pfannen und Töpfe auf der Herdplatte fest. Alle Hände voll habe ich zu tun; die Bratpfanne muss ich festhalten, das Fleisch darin will gewendet werden, damit es schön rundum angebraten wird. Und ich muss zusehen, dass ich mich auf den Beinen halten kann, denn das Schiff neigt sich sehr oft ganz enorm auf die Seite und meine Küche gerät in eine bedrohliche Schräglage. Fährt es einmal so rein zufällig gegen eine größere Welle, was alle paar Minuten geschieht, hebt sich zuerst der Bug einige Meter hoch, um dann wieder spritzend und krachend in die aufgewühlte See einzutauchen . Dies führt dazu, dass das Heck mit der wuchtigen Schiffsschraube aus dem Wasser hebt, was in der Küche ein gewaltiges Beben verursacht und Töpfe sowie Pfannen und alles Übrige zum Tanzen bringt oder durch die Luft wirbeln lässt. Wahrlich, eine sehr mühsame Arbeit.

Dem Bäcker geht es auch nicht besser. Auch er bräuchte vier oder sechs Arme, um all sein Gebäck und seine Werkzeuge festzuhalten, das sich immer wieder selbständig zu machen versucht. Hat er seine Kreationen endlich in den Ofen gepackt, bleibt nur zu hoffen, dass nicht alles durcheinander gerät, denn sonst… Kein schöner Anblick, wenn er seine Ofentür öffnet und alles miteinander verbacken ist.

Aus der Offiziersmesse ertönt großes Getöse. Dem armen Offizierssteward hat es den ganzen Tisch abgeräumt und er bemüht sich nun, den Scherben von Tellern und Tassen wieder habhaft zu werden, die sich flugs selbständig gemacht haben und sich in alle Ecken verzogen haben. Alles, was nicht niet- und nagel-, respektive schraubenfest ist, versucht sich selbständig zu machen

Das Fleisch habe ich inzwischen gebraten und alles in eine große Marmite gegeben. Mit viel Paprika, Kümmel, Zwiebeln und Knoblauch wird gewürzt, Tomatenpüree beigegeben und kurz mitangeröstet. Eine Handvoll Mehl darüber, damit sich die Sauce dann auch schön und sämig bindet, mit genug Rotwein lösche ich das Ganze ab – und auch so ganz nebenbei auch etwas meinen Durst – und fülle nun mit einer kräftigen Bouillon auf. So, nun endlich habe auch ich etwas meine Ruhe.

Derweil kämpft der Messboy mit dem Frühstücksgeschirr, das er mühsam und nicht gerade mit den feinsten Worten in der Mannschaftsmesse zusammengesammelt hat. In seiner kleinen Pantry wäscht er nun alles ab, was noch ganz geblieben ist. Eine mühsame Arbeit, wenn man bedenkt, dass sein Abwaschraum nur gerade mal zwei auf zwei Meter groß ist. Darin muss er alles Geschirr von 25 Mann abwaschen. Das saubere Geschirr kommt dann zur Essensausgabe, wo es im Wärmeschrank sicher und unverrückbar festgeklemmt wird. Eine gute und praktische Einrichtung ist das; neben den Geschirrschränken befinden sich die gekühlten Getränkeschubladen. Oben an diesen angebracht ist der Besteckbehälter und direkt unter dem Ausgabefenster sind die Tellerhalter, die lustig bei jeder Auf- und Bewegung mitwippen. Die servierbereiten Speisen sind in versenkbaren Chromstahlbehältern im Wasserbad zum Warmhalten enthalten und werden direkt auf die Teller der Leute geschöpft, So ist die Speiseausgabe möglichst seefest angelegt. Bleibt nur noch unsere Aufgabe, den Halt unter unseren Füssen nicht zu verlieren.

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