Als ich ein Kind war fuhr mein Vater schon zur See. Ich habe ihn dadurch viele Wochen und Monate im Jahr nicht gesehen, was mich immer traurig stimmte. Um so größer war die Freude, wenn der Urlaub bzw. Freizeit näher rückte. Mein größter Wunsch war es meinen Vater einmal in Rostock abzuholen und mir das Schiff die ROS 316″Junge Welt“ im Original anzuschauen. Ich kannte es ja nur von Bildern und vom erzählen. Da es während der Schulzeit war, mußte meine Mutter erst die Klassenlehrerin fragen. Es hat geklappt!
Sie stimmte zu unter der Bedingung, daß mein Vater zu einem Pioniernachmittag in die Schule kommt und uns über die Seefahrt und das Leben an Bord erzählt. Ich war total aufgeregt und konnte es garnicht mehr abwarten. Endlich war es soweit! Mein Mutter und ich fuhren mit der Bahn von Weimar nach Rostock. Wir übernachteten im Haus der Hochseefischer, auch Höhle genannt. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Marienehe ins Fischkombinat. An diesen Tag, ich glaube es war im Herbst, war es sehr kalt und es regnete.
Wir wärmten uns in der Betriebskantine auf, denn das Einlaufen des Schiffes verzögerte sich. Ein Mann in Uniform kam herein und sagte laut: ROS 316″Junge Welt“ macht in ca 30 Minuten an der Pier fest! Meine Limo habe ich stehen gelassen und wir machten uns auf den Weg. Die Betriebskapelle in ihren blauen Uniformen spielte einen Marsch nach den anderen. Die „Junge Welt“ wurde von 2 oder 3 Schleppern in den Hafen gezogen. Es war schon ein tolles Gefühl. Ich hatte vor Freude Tränen in den Augen. Viele Leute standen an der Reeling und winkten uns zu. Nach langem Suchen habe ich meinen Vater entdeckt. Er hat sich während der Reise einen Vollbart wachsen lassen. Wir durften nach einiger Zeit an Bord gehen und uns alles genau anschauen. Das Schiff war aus meiner damaligen Sicht riesen (ca 160m) und es roch nach Fisch. Ich erzählte meinem Vater von der Einladung zu unseren nächsten Pioniernachmittag. Er lachte und sagte- Na klar mein Junge! Nun war es soweit. Pünktlich um 15 Uhr betrat er unser Klassenzimmer. Ich traute meinen Augen nicht, denn er stand da mit seiner blauen Uniform und dem Vollbart wie ein alter Seebär. So habe ich ihn vorher auch noch nicht gesehen. Mein Vater zeigte Bilder von seinen Reisen und erzählte uns Geschichten über das Leben an Bord. Ob auch Seemannsgarn gesponnen wurde? Jedenfalls hörten wir aufmerksam zu und stellten dann anschließend viele Fragen. Der Nachmittag verging viel zuschnell. Ich war mächtig stolz auf meinem Vater. So wollte ich auch werden und damit stand mein Berufswunsch fest: HOCHSEEFISCHER.
Geschrieben von Frank Damboldt. Schaut doch einmal auf seiner Internetseite vorbei: Marinekameradschaft-Weimar . Das Copyright für diesen Text liegt ausschließlich beim Autor. Anfragen für eine weitere Veröffentlichung könnt Ihr an: rampe61@hotmail.com stellen.